Sonntag, 15. März 2020

WarumMathe.txt (9. Nov. 2006)

Warum Mathematik?

Die Frage nach dem "Warum" ist auch für die Mathematik von Bedeutung: Man möchte nicht nur den Satz kennen, sondern auch wissen, warum er gilt. Deshalb beweist man den Satz. Ein Beweis hat aber zwei verschiedene Aspekte. Zum einen wird gezeigt, dass unter gewissen explizit genannten Voraussetzungen der Satz immer gilt (obwohl die meisten Sätze oft auch allgemeinere Gültigkeit haben, selbst für Fälle wo sie so wörtlich und uneingeschränkt nicht gelten.) Zum anderen erhofft man sich jedoch auch, zu erfahren, "warum" der Satz gilt (oder ist es gar trivial, dass der Satz gilt, wenn man nur den richtigen Blickwinkel hat?...) So ist zum Beispiel der Beweis des Vierfarbensatzes umstritten, weil aus der Computeranalyse von 1000 Spezialfällen nicht schlüssig verständlich wird, warum der Satz richtig ist.

Meist liegt ein gewisses Erfahrungswissen bereits vor. Man möchte einerseits wissen, wie zuverlässig es ist, und andererseits vom Bekannten auf das Unbekannte extrapolieren können.

Die Untersuchung mathematischer Strukturen läßt sich als Entdeckungsreise in einer real existierenden Welt auffassen. Diese Welt ist real, weil man ihre Gesetze/Spielregeln nicht willkürlich ändern kann, sondern sie sich von allein ergeben. (Die Welt eines Romans wird vom Autor bestimmt, Beobachtungen der realen Welt sind durch den Betrachter beeinflusst, Gesetze und Richtersprüche sind willkürlich.)

Die Abstraktion gewisser Grundstrukturen erlaubt es, gewisse Probleme und Schwierigkeiten klarer zu erkennen.

Die Idealisierung erlaubt es, gewisse Phänomene viel besser zu fassen, als der naive Glaube an die eigenen Vorurteile.

Beschränkte man die Mathematik auf die konkrete Anwendung, täte man oft sowohl dem eigentlichen Erfinder der verwendeten Technik (der vielleicht gar kein Mathematiker war), als auch der Mathematik unrecht.

Die Mathematik muss einen gewissen Wissensschatz pflegen und weiterentwickeln, sowie anpassen.

Ein idealisiertes konsistentes mathematisches Modell hat oft den Vorteil, eine vollständige runde kleine Welt zu beschreiben. Dies ist oft einfacher fehlerfrei einsetzbar als eine phänomenologische inkonsistente Approximation der Wirklichkeit (wie z.B. die Kirchhoff Beugungstheorie.) Durch eine Einbettung in ein konsistentes mathematisches Modell werden Approximationen akzeptabler (Einbettung der Kirchhoff Beugungstheorie in den Rahmen der Maxwellgleichungen oder der Helmholz Gleichung). Bei einem idealisierten Modell kann man oft Probleme besser sehen als bei einer wilden Approximation.

Mathematik ist auch eine Sprache. Oft sind verschiedene Theorien sogar verschiedene Sprachen, die die gleiche Wirklichkeit in verschiedenen Begriffen wiedergeben können. Die Begriffe und die sie beschreibende Sprache werden oft zeitgleich entwickelt. Die Sprache und Notation unterliegt jedoch meist einem stärkeren Wandel als die zugrundeliegenden Begriffe.

Aufgrund ihrer Spracheigenschaft ist die Mathematik für die Programmierung von Rechnern von Bedeutung, da diese Deutsch und Englisch meist nur mangelhaft beherrschen, und man ihnen mathematische Sprachen leichter beibringen kann.

Leider wird Mathematik oft nur auf die notwendige Intelligenz reduziert, die es oft benötigt. Die Mathematik wird dann als eine Art Intelligenztest mißbraucht. Dies funktioniert sogar, da die Mathematik viele Welten bereitstellt, und der Mensch sich in diese Welt eindenken und anpassen muss. Damit kann man dann aber auch die allgemeine Anpassungsfähigkeit testen. Dieser Test versagt natürlich, wenn der Probant in die entsprechende Welt bereits eingedacht und angepasst ist (ausser dem Beleg der Tatsache, dass er sich irgendwann einmal eingepasst haben muss.)

Rene Thom hat auch viel über Mathematik geschrieben.

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Dieser Text kommt aus einer Datei mit Namen "WarumMathe.txt", die zuletzt am 9. Nov. 2006 geändert wurde. Ich habe sie damals an ein paar Bekannte verschickt. Ich poste sie hier, weil sie meine Sicht auf die Mathematik wiedergibt, bevor ich angefangen habe, mich mit mathematischer Logik zu beschäftigen.

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